THE NOMAD 911 - KILIM PORSCHE PROJEKT

THE NOMAD 911 - KILIM PORSCHE PROJEKT

Eine Reise der Leidenschaft und Handwerkskunst

18.11. // Finissage Women Behind The Weave Du liest THE NOMAD 911 - KILIM PORSCHE PROJEKT 10 Minuten

Der Traum eines Porsche 911

Als gebürtige schwäbische Türkin war es schon immer mein Traum, eines Tages einen Porsche 911 zu fahren. Schon während der Fahrschule träumte ich von diesem formvollendeten, ikonischen Fahrzeug. Später hatte ich einen Freund, der erst einen alten 964 und dann einen 993 fuhr. Nur erlaubte er mir nie, damit zu fahren, aus Angst, ich könnte ihn zu Schrott fahren. Nicht ganz unberechtigt, denn ich hatte tatsächlich großen Respekt davor, ein so schnelles und „schweres“ Auto zu fahren. So blieb dieser Wunsch viele Jahre tief in meinem Herzen verborgen, und ich fuhr eher langweilige, aber praktische schwäbische Autos wie einen Smart oder eine Mercedes B-Klasse namens „Bobby“.

 

Die Manifestation eines Traumes

Doch was man mit viel Liebe im Herzen trägt, wird sich eines Tages manifestieren. Diese wundervolle Erfahrung habe ich schon mehrmals in meinem Leben machen dürfen. Und so muss ich mich bald nicht mehr für mein „Rentnerauto“ schämen, wie meine Kundin Christine meinen „Bobby“ neulich nannte.

Zum Glück habe ich in Karel einen genauso großen Automobil-Fan wie mich gefunden, und zudem ist er überzeugt von meinem Fahrertalent. Zugegeben, nach vielen Jahren auf den Straßen von Istanbul, mit seinem extremen Verkehr und den sehr eigenen Verkehrsregeln, im rudimentären Gefährt von Mustafas Frau Nur oder in Kaş mit seinen steilen Hängen und Serpentinen, in meinem alten Open-Roof Suzuki SJ Samurai, habe ich definitiv mehr Fahrerfahrung als damals. Denn wenn man dort Autofahren kann, dann überall!

Der Vergleich mit „der Blechbüchse“

Karel hat sich vor einem Jahr seinen Jugendtraum erfüllt und sich einen Lancia Delta Integrale gegönnt. Ich habe ihn liebevoll „die Blechbüchse“ getauft, um den Kontrast zum ikonischen Design eines 911ers zu verdeutlichen. Doch nicht nur das… Fast ein Jahr lang habe ich Karel mit Porsche-Büchern, einem Miniatur-Modell zum Selbstbauen, Anekdoten, Instagram- und Pinterest-Posts usw. zugespamt, bis auch in ihm langsam aber sicher eine Liebe für den 911er erwachte bzw. ihm nichts anderes übrig blieb bei so viel unausweichlichem Marketing.

 

 

Vom Running Gag zur Realität

Es war auf jeden Fall eine sehr lustige Zeit, in der ich in jeder möglichen Situation den Porsche ins Gespräch einzubinden verstand. Am Ende tauschte ich sogar meine „Freiheit“ ein und gab Karel die Hand darauf, dass wir eines Tages nach Cornwall ziehen statt in die Türkei, wenn wir nur dafür einen 911er bekommen.

Was für lange Zeit nur nach einem Running Gag und Träumerei aussah, hat sich dann doch tatsächlich immer mehr in die Wirklichkeit manifestiert. Da meine Liebe offensichtlich nicht nur Vintage-Autos, sondern auch Vintage-Teppichen gilt, mussten diese beiden Leidenschaften selbstverständlich miteinander verwoben werden. Nach diversen „Kilimization“-Projekten wie Kilim-Kissen, Kilim-Schuhen, Kilim-Taschen und anderen Kilim-Accessoires war es quasi selbstverständlich, dass als nächstes ein Auto dran war. Aber nicht irgendeines, sondern natürlich das Objekt der Begierde: ein Vintage Porsche 911.

Die Verbindung zweier Kulturen

Was mich daran reizte, war nicht nur die Kombination aus dem zeitlosen Design des schwäbischen Autoherstellers und der ebenfalls über Generationen gültigen Schönheit anatolischer handgewebter Kelims, sondern auch eine Verknüpfung meiner beiden Herkünfte: Geboren und aufgewachsen in der Region Stuttgart als Tochter von Gastarbeitern, die, wenn sie Glück hatten, bei Porsche am Band arbeiten durften, aber das Fahren und Besitzen eines Porsches als fast unerreichbar galt, und meinen türkischen Wurzeln sowie meiner heutigen Profession als Teppichhändlerin.

Die Herausforderung der Restaurierung

Der ikonische 911er sollte durch die Restaurierung und Kilimizierung zum absoluten Kultobjekt werden und zudem Vorzeigeobjekt gelungener Integration. (Sorry, der letzte Witz musste einfach sein.)

Nach vielem Recherchieren nach dem richtigen Auto und Möglichkeiten, wie man den Kelim am besten integriert und was man überhaupt noch so an Restaurierung vornehmen kann, z.B. Lack aufarbeiten, Original Fuchs-Felgen, stylischer Dachträger und ein maßgefertigter Heckdeckel im Kilim-Muster, sollte das lange Warten und Träumen im Februar endlich ein Ende haben.

Ein 911 G-Modell von 1984, importiert aus Kalifornien, wurde bei einem holländischen Car Dealer gesichtet und ohne ihn vorher live gesehen zu haben, einfach online bestellt und fünf Tage später auf einem Abschlepper vor die Haustür geliefert. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war, dass der Porsche wohl zuvor in der Niederlande zugelassen war, aber in Bürokratie-Deutschland natürlich andere Regeln gelten. Und ohne das notwendige „Datenblatt“ war die Zulassung in Deutschland nicht möglich. Somit war auch das Versichern kein einfaches Unterfangen. Sprich, nach der Ankunft mussten wir uns erst einmal mit viel Papierkram und Telefonieren herumschlagen und eine lange Wartezeit einplanen.

 

Die Suche nach einem Sattler

Doch der eigentliche Spaß begann erst bei der Suche nach einem fähigen Sattler, der in der Lage war und Lust darauf hatte, einen Vintage Kelim mit dem Lederinterieur unseres geliebten 911ers zu verarbeiten. Zugegeben, der 911er war quasi ein „Schnäppchen“ (naja, das liegt im Auge des Betrachters), aber dementsprechend war auch der Zustand. Das Dach war undicht und durch die Feuchte war die komplette Fake-Ledergarnitur der Rücksitze, der Gurte, des Teppichs und der Mittelkonsole total verschimmelt. Karel und ich saßen die ersten Tage stundenlang in der Tiefgarage und versuchten mit Antischimmelmittel (das durch die Handschuhe hindurch die Haut unserer Hände wegätzte), so viel wie möglich zu entfernen, damit man sich überhaupt in das Auto setzen konnte, ohne dabei die Lungen mit Schimmelsporen zu vergiften. Was wir bis dahin nicht wussten, war, dass es eigentlich für die Katz war, weil wir am Ende sowieso alles komplett entkernen und neu polstern lassen mussten. Und weil es keine Zulassung gab, kam eine Spritztour zuvor sowieso nicht in Frage.

Naja, wir wollten ein Projekt, und das haben wir auch bekommen.

Der Durchbruch mit Ferdi

Nach mindestens 30 Absagen von angefragten Sattlern aus Berlin und Umgebung war die Verzweiflung groß. Häufige Begründung war, dass ein „Teppich“ zu dick ist als Material und sich nicht in einen Autositz integrieren lässt. Dass das Quatsch ist, wussten wir natürlich, schließlich haben wir in der Türkei schon handgefertigte Schuhe aus echten Kelims anfertigen lassen.

Und genau das war wahrscheinlich das Problem: Die Sattler hier kannten das Material „Kelim“ nicht und trauten sich nicht ran.

Für kurze Zeit kam die begeisterte Idee auf, den Porsche nach Istanbul zu bringen, um dort einen Meister zu finden, der sich unserer annimmt.. Mustafa freute sich schon darauf. Aber der Realitätscheck brachte uns wieder zurück auf den Boden. Wir wollten uns gar nicht ausmalen, was eine Überführung in die Türkei kosten würde, und „runterfahren“ war Karel nicht geheuer - schon gar nicht in dem Zustand, in dem sich unser 911er befand. Vom bereits erwähnten Thema, ohne Zulassung kein Nummernschild und keine Versicherung, mal abgesehen.

Und so war Karel schon fast auf dem Weg zu einem Sattler in Bielefeld, der uns halb zugesagt hatte, aber erst einmal den Kelim sehen wollte, als mir die glorreiche Idee kam: Wenn wir schon nicht nach Istanbul konnten, dann mussten wir einen türkischstämmigen Sattler in Berlin finden. Und wie es mit Geistesblitzen manchmal so ist, war dieser Retter in Not, mit dem Namen Ferdi, auch schneller gefunden als gedacht. Ein Telefonat, ein Besuch und die Sache lief. Ferdi nahm unsere Kelim-Herausforderung freudig an und beeindruckte uns mit seiner Expertise und Leidenschaft. Außerdem muss ich jedesmal an den türkischen Sänger Ferdi Tayfur denken, wenn ich seinen Namen höre.

Die Wahl des richtigen Kelims

Sattler: check! Nächste Herausforderung: Die Auswahl des richtigen Kelims. Auch keine leichte Aufgabe. Wer mich kennt, weiß, wie nerdy ich bin und dass mir meine perfektionistische, detailverliebte Ader manchmal im Weg stehen kann. Also konnte es nicht irgendein Kelim sein, sondern musste perfekt zum Spirit unseres 911ers passen: Ein Kalifornien-Import, also ein Küstenbaby, mit verblichenem, rubinrotem Lack mit deutlichen Sonnenflecken und dunkelbraunem Interior, so wie unsere sonnengeküssten Kelims und das Ziegenhaar der Nomaden.

Außerdem musste der Kelim funktional, widerstandsfähig und nicht zu kratzig sein. Am wichtigsten war mir jedoch die persönliche Verbindung zu seiner Ursprungsregion und der Bedeutung der Symbole.

Unser erster Favorit war ein langer Vintage Kelimläufer aus Kars aus dem Jahr 1961. Die Farben passten gut und er war groß genug, um alle Sitze abzudecken, plus wäre extra Material für Sonnenblenden und Türverkleidungen übrig geblieben. Wir hatten den Läufer schon für den Zuschnitt der Sitze mit Tape abgeklebt und es sollte losgehen. Bis mein Bauchgefühl dazwischenkam.

Es war noch nicht DER KELIM, der Funken aus meinem Herzen springen ließ und mit dem ich mich voll und ganz identifizieren konnte. Ja, Frauen sind da nicht so pragmatisch wie Männer es sein können - und das ist auch gut so!

 

Die Entscheidung für den Kelim aus Mut

Nach langem Überlegen, Ausprobieren und einigen Diskussionen (zum Leidwesen von Ferdi) fiel unsere Wahl schließlich auf einen 90 Jahre alten Kelim aus Mut, einem beschaulichen, ländlichen Gebiet am Fuße des Sertavul-Passes. Diese Region, die auf dem Weg von Konya über das Taurusgebirge zum Mittelmeer liegt, liegt mir besonders am Herzen, da meine Familie väterlicherseits aus dem nahegelegenen Karaman stammt und sie sowohl Berge als auch Küstenlandschaften vereint.

Dieser Mut Kelim ist ein originaler Nomadenkelim aus dem Taurusgebirge, gewebt aus feiner Schafswolle und Ziegenhaar, und verziert mit dem Elibelinde-Motiv in verblassten Rot, Apricot- und Brauntönen – die perfekte Farbkombination für unseren 911er. Das Elibelinde-Motiv repräsentiert die Muttergöttin oder Erdmutter und symbolisiert die Kontinuität des Lebens, die Verbindung zwischen Erde, Natur und der spirituellen Kraft der Schöpfung.

Und so wurde aus dem Schoß der großen Mutter auch der Name für unser Baby geboren: „THE NOMAD“.

Fortschritte und Ausblick

Inzwischen haben Ferdi und sein Meister mit dem Kilimization-Prozess in der Werkstatt begonnen. Die Vorder- und Rücksitze, das Armaturenbrett und die Türverkleidungen sind bereits fertig. Himmel, Mittelkonsole und die hintere große Abdeckung sind in Arbeit und wir müssen uns noch für einen Teppich für den Fußraum entscheiden. Ehrlich gesagt sind wir noch nicht ganz glücklich mit der Vorstellung, ein Kunstmaterial zu verarbeiten, das einen sehr unnatürlichen Glanz hat und eigentlich nicht richtig zum hochwertigen Leder und dem schönen Kelim passt. Eigentlich wäre ein einfarbiger Ziegenhaarkelim so wie die der Kara Cadir (schwarze) -Nomadenzelte perfekt dafür. Mal schauen, was ich in der Türkei noch finde …

Jedenfalls können wir es kaum erwarten, mit THE NOMAD hoffentlich noch diesen Sommer über europäische und anatolische Berge und entlang der türkischen Riviera zu fahren.

Die Reise geht weiter. To be continued ...

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